Liebe/r Besucher/in,

zur Zeit befinde ich mich noch in Japan auf Seminarreise. Was immer wieder interessant ist zu beobachten, dass verschiedene Kulturen bestimmte Grund-Themen in ihrer Persönlichkeit ausdrücken.

Bei den Japanern sind Werte wie Loyalität, Verpflichtung, Anpassung, Ehre, Selbstaufgabe tief verankert, auch wenn diese eher von der älteren Generation aufrecht erhalten und in Zukunft immer mehr nachlassen werden, da die jüngere Generation eine freiheitlichere Lebensweise vorzieht.

Auf unseren Werten sind dann aber auch unsere Stress-Faktoren und unser Konflikt-Potenzial begründet. So beobachte ich bei meinen japanischen Klienten und Seminarteilnehmern oft eine Last – sie fühlen sich privat bedrängt von den Anforderungen ihrer Familien und Schwiegerfamilien. Angestellte in Firmen mit typisch japanischer Unternehmensphilosophie erleben durch lange Arbeitszeiten und wenig Urlaub und wenig Erholung häufig eine chronische Überarbeitung, die Anzeichen von Burnout, Erschöpfung und Mangel an Lebensfreude mit sich bringt.

Wenn man als Europäer die Dauer unserer gesetzlichen Mindesturlaubstage erwähnt, staunen die Japaner nicht schlecht, da sie oft nur insgesamt 8 – 10 Tage Jahresurlaub nehmen. Vom Gesetzgeber würden ihnen zwar mehr Urlaubstage zustehen, dagegen aber steht das Verpflichtungsgefühl – schließlich kann man seinen Arbeitgeber, die hoch angesehene Firma, nicht im Stich lassen, sondern man gibt vollen Einsatz und verzichtet freiwillig auf den Urlaub.

Diese Belastungen zeigen sich auch in therapeutischen Gesprächen.
Den Anforderungen gerecht werden zu wollen, trotz der Belastung für die eigene Gesundheit und des Verzichts auf private Freizeit, hat einen hohen Preis.
Verlust von Ansehen nehmen die meisten Asiaten sehr ungern in Kauf und passen sich lieber an.

So hat jede Kultur ein Grundthema.
Beim deutschsprachigen Klientel gibt es eine Häufung des Autoritätskonfliktes, der ebenfalls im privaten als auch im beruflichen Umfeld vorkommt – das ist ein relativ zentrales Thema bei psychologischen Gesprächsführungen.

Die Lernaufgabe beim Autoritätskonflikt als auch bei der Überanpassung an die Gesellschaft besteht darin, seine wahre Natur zu erkennen und zu leben, Wege zu finden, die eigenen Interessen und Bedürfnisse mit den Anforderungen der Gesellschaft in eine Ausgeglichenheit zu bringen. Dabei gilt es, Selbstvertrauen, Durchsetzung und Konsequenz als auch Kompromissbereitschaft zu entwickeln, um in der Lebensgestaltung die innere Harmonie und Zufriedenheit zu finden.

Karmische Hintergründe bei Interessenskonflikten zwischen äußeren Anforderungen und inneren Bedürfnissen sind:

Zugehörigkeiten zu Clans, Volksstämmen, religiösen Gruppen und militärischen Einheiten, die manchmal das Recht auf Leib und Leben fordern durch Aufnahmerituale mit absoluter Gehorsamspflicht. Bei Nichtbefolgung von Anweisungen folgen Strafmaßnahmen bis hin zu Ausschluss und Tod.
Die Vereidigungen und Rituale sind dazu da, einen Menschen zu vereinnahmen, ihn zu besitzen und zu benutzen. Die „Treue“ und der „Gehorsam“ werden durch bindende Versprechen zementiert und durch Anerkennung in diesem Verbund belohnt. Meist steckt ein großes ideales Ziel dahinter, welches die Mitglieder immer wieder motivieren soll – die Befreiung einer Volksgruppe, Gerechtigkeit für ein Gesellschaft, religiöse Transformation und Heimkehr in himmlische Gefilde.

Obwohl das angestrebte Endergebnis in den seltensten Fällen eingetreten ist, bleiben die Treueschwüre intakt, bis sie bewusst von seiten des Individuums wieder storniert und aufgelöst werden.

Es gibt kaum eine Therapie oder eine Beratung, bei welcher nicht alte Versprechen, Programmierungen, überholte Werte bei der Problemlösung eine wesentliche Rolle  spielen.

– Dabei können uns die Entsprechungsgesetze helfen:

Welche Länder bereisen oder mögen Sie besonders gerne?
Welche Werte und kulturellen Besonderheiten ziehen Sie dort an?
Leben manche dieser Werte auch in Ihrem Bewusstsein –
spüren Sie hier eine Affinität?
In welchem Ihrer früheren Leben könnten Sie in so einer Kultur gelebt haben?
Welche Vorstellungen von idealer Lebensführung, Moral, Gepflogenheiten bringen Sie hiervon mit?

Gibt es Verhaltensweisen, die Sie an sich selbst stören,
die sich der willentlichen Änderung entziehen?
In welcher Kultur, in welcher Gemeinschaft könnte diese Verhaltensweise üblich und sogar erstrebenswert gewesen sein?
Welche Einstellung liegt diesem Verhalten zugrunde?
Was davon möchten Sie behalten, was davon aufgeben?

So kann ein „Durchhalten bis zum Schluss“ in einer Notsituation – wie Gefangenschaft und Flucht – Leben retten, als allgemeine Lebensphilosophie ist sie aber nicht brauchbar, da sie unnötigen Stress und ständige Anspannung beschert.

Ein „irgendwie komme ich schon durch“ mag in einem Zigeunerleben oder bei einem Nomadenvolk eine brauchbare Einstellung sein, ist aber als Leiter einer Abteilung oder im Umsetzen von persönlichen Zielen heute eher ungeeignet.

Somit kann bei manchen verwunderlichen Eigenschaften oder Denkvorstellungen die Frage helfen:
In welche Kultur passt dieses Verhalten oder diese Denkweise?
Welchen Aspekt davon halte ich immer noch für nützlich, und von welchem Aspekt möchte ich mich lösen? 

Die zugrunde liegende These lautet:

Alle unverständlichen Verhaltensweisen, alle Probleme im Heute
sind eine Verwechslung von Ort und Zeit!

Und da es in der menschlichen Natur nur sinnvolles Verhalten gibt, der Sinn aber manchmal in der Vergangenheit liegt, können Sie mit dieser Betrachtung ganz rasch erstaunliche Ergebnisse erzielen!